Der erste Telenet UCI Radquer-Weltcup seit acht Jahren in der Schweiz ging übers Wochenende bei prächtigem Herbstwetter und überwältigend vielen Zuschauerinnen und Zuschauern über die Bühne.
Das war der Telenet UCI Radquer-Weltcup in Bern
Der erste Telenet UCI Radquer-Weltcup seit acht Jahren in der Schweiz ging übers Wochenende bei prächtigem Herbstwetter und überwältigend vielen Zuschauerinnen und Zuschauern über die Bühne. Die Strecke im Freibad Weyermannshaus in Bern bot die ideale Bühne für grosses Spektakel – und niederländische Siege. Das Rennen der Frauen gewann Marianne Vos, die beste Radfahrerin, die es auf der Welt je gegeben hat. Bei den Männern kam Mathieu van der Poel als Erster ins Ziel, der letztjährige Sieger des Gesamtweltcups.
Was für ein Geschenk!
Während exakt 41 Minuten hatte man am Sonntagnachmittag in Bern Gelegenheit, der besten und vielseitigsten Radfahrerin zuzuschauen, die es auf der Welt je gegeben hat. Und diese Fahrerin, die 31-jährige Niederländerin Marianne Vos, liess bei ihrem Auftritt keinen Zweifel daran, dass sie es nur auf eines abgesehen hatte: den Sieg. Von Beginn an fuhr sie vorneweg, in der letzten von sechs Runden über 2,9 Kilometer liess sie auch noch ihre Landsfrau Annemarie Worst stehen und im Ziel hatte sie neun Sekunden Vorsprung. Auf Platz 3 fuhr die Amerikanerin Katherine Campton. Ursprünglich hatte Vos den Weltcup primär zur Vorbereitung auf die Europameisterschaften Anfang November nutzen wollen. Es war nicht geplant, alle neun Rennen der bis Ende Januar dauernden Serie zu absolvieren. Bereits im März beginnt die neue Strassensaison, ihr gilt das Hauptaugenmerk. Auf der Strasse ist Vos Olympiasiegerin und mehrfache Weltmeisterin und hat nahezu alle grossen Rennen mindestens einmal gewonnen. Doch der Erfolg in Bern war nach dem Auftaktrennen Mitte September in Waterloo, USA, bereits ihr zweiter Weltcup-Sieg in dieser Saison, sie
ist klare Gesamtleaderin. Und weil sie zwar auch im Radquer mehrfache Weltmeisterin ist, ihr der Gesamtweltcup in ihrem beeindruckenden Palmarès aber noch immer fehlt, sagte sie lachend: «Es sieht ganz danach aus, als müsste ich meine Saisonplanung noch einmal überdenken.»
Der dreifache Weltmeister auf Platz 2
Die Entscheidung bei den Männern fiel früher als bei den Frauen, aber das Rennen war nicht minder spektakulär. Der Niederländer Mathieu van der Poel, Weltmeister des Jahres 2015 und Gesamtweltcupsieger der letzten Saison, siegte vor dem Belgier Wout van Aert, dem dreifachen Weltmeister und zweifachen Gesamtweltcupsieger, und dessen Landsmann Toon Aerts, der etwas überraschend die zwei ersten Rennen dieser Weltcup-Saison gewonnen hatte. Van der Poel hatte in
der fünften von elf Runden einen kleinen technischen Zwischenfall bei van Aert zum Angriff genutzt. Bis ins Ziel, das er nach 64:48 Minuten erreichte, vergrösserte er den Vorsprung auf acht Sekunden. Besonders bemerkenswert am Erfolg des 24-jährigen Van der Poel: Noch am Samstag war er an einem Superprestige-Rennen in Belgien im Einsatz gestanden – und hatte es ebenfalls gewonnen. Das nächste Weltcup-Rennen findet Mitte November in Tábor, Tschechien, statt. Dank seines dritten Platzes in Bern bleibt Aerts zumindest bis dahin Gesamtleader.
Beachtliche Schweizerinnen und Schweizer
Das Schweizer Team nutzte die Chance, beim ersten Radquer-Weltcup in der Schweiz seit acht Jahren mit guten Resultaten auf sich aufmerksam zu machen. Allen voran überzeugte die junge Nicole Koller, die im Eliterennen Platz 22 belegte und es in der U-23-Wertung als Dritte aufs Podest schaffte. Für die Nachwuchskategorien der Männer fanden separate Rennen statt, bei den U19 fuhr Lars Sommer überraschend auf Platz 9 (15 Sekunden hinter dem Belgier Witse Neeussen), bei den U23 schaffte es Kevin Kuhn sogar auf Platz 6 (55 Sekunden hinter dem überragenden Belgier Eli Iserbyt). Bester Schweizer im Eliterennen war Marcel Wildhaber, er erreichte das Ziel wie Nicole Koller bei den Frauen auf Platz 22.
Zufriedener OK-Präsident
Die Fahrerinnen und Fahrer waren voll des Lobes über die Organisation des Telenet UCI Radquer-Weltcups in Bern. Marianne Vos zum Beispiel sagte: «Ich weiss, dass die Schweiz auf eine lange Tradition im Radquer zurückblickt. Aber ich weiss auch, dass die Schweiz in den letzten Jahren nicht mehr zu den dominierenden Nationen gehörte. Umso überraschter war ich, wie gut die Stimmung an der Strecke war. Es beeindruckte mich, wie begeistert das Publikum war.» Auch der OK-Präsident Christian Rocha ist zufrieden mit der Berner Weltcup-Premiere. «Es war mehr als perfekt», sagte er. Erst letztes Jahr hatten er und sein Team im Freibad Weyermannshaus zum ersten Mal ein Radquerrennen durchgeführt. Dass man bereits im zweiten Jahr den Weltcup-Status zugesprochen erhielt, bedeutete zuletzt einige durchwachte Nächte. Aber das zweitägige Konzept ging auf, die Verknüpfung von Breitensportanlass und Spitzensportanlass hat sich gelohnt, das beweisen die vielen hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Samstag und die rund fünftausend Zuschauerinnen und Zuschauer am Sonntag.
Und jetzt?
Die im Freibad Weyermannshaus anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Bern, darunter der Stadtpräsident Alec von Graffenried, haben laut Christian Rocha Interesse an einer Fortführung des Projekts «Weltcup in Bern» signalisiert. Rocha aber betont, dass es nächstes Jahr nur dann wieder eine Weltcup-Veranstaltung in Bern gebe, wenn er vom Internationalen Radverband UCI früher eine Zusage erhält – und nicht wie dieses Mal erst im Februar. «Das ist einfach zu spät. Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten Sponsoringbudgets bereits erstellt. Wir brauchen mehr Vorlauf, um genügend Geld aufzutreiben.» Rocha rechnet für dieses Jahr mit einem Defizit von 20'000 bis 30'000 Franken. Ein solches finanzielles Risiko, sagt er, könne er nicht noch einmal eingehen.